Drucksache - BM/226/2010  

Betreff: Verzicht auf eine Verfassungsklage zur gesetzlichen Festlegung des Kreisstadtsitzes
Status:öffentlichDrucksache-Art:Beschlussvorlage
Unterzeichner FB/SG:Herr Dr. Detlef Butzke
Federführend:Bürgermeister Beteiligt:Bürgermeister
Bearbeiter/-in: Bothmann, Sybille   
Beratungsfolge:
Stadtvertretung der Hansestadt Anklam Entscheidung
14.10.2010 
öffentliche/nicht öffentliche Sitzung der Stadtvertretung ungeändert beschlossen   

Beschlussvorschlag:

Beschlussvorschlag:

 

Die Stadtvertretung verzichtet vor dem Hintergrund der in der Sachdarstellung gemachten Erläuterungen auf eine gerichtliche Auseinandersetzung bezüglich des Sitzes des neu zu bildenden Landkreises Südvorpommern, wie er am 07.07.2010 vom Landtag Mecklenburg-Vorpommern im Gesetz zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) beschlossenen wurde.

 

Sachdarstellung:

Sachdarstellung:

 

Die Stadtvertretung der Hansestadt Anklam beauftragte den Bürgermeister unter DS BM/218/2010 in ihrer Sitzung am 1.7./ 8.7.2010 „unverzüglich nach der Entscheidung über den künftigen Kreissitz, sofern diese negativ für die Hansestadt Anklam ausfällt, rechtliche Möglichkeiten zur Klageerhebung gegen das Gesetz des Landes M-V prüfen zu lassen, die Erfolgsaussichten und die Kosten zu erfragen und der Stadtvertretung abschließend die Ergebnisse vorzulegen ggf. im Rahmen einer Sondersitzung zu diesem Thema.“

Der Hansestadt Anklam wurde freundlicher Weise durch die Stadt Waren (Müritz) ein umfangreiches Gutachten des renommierten Rechtsanwaltes Prof. Ewer zur Verfügung gestellt, welches im Auftrag der Stadt Waren (Müritz) erarbeitet wurde. Dieses Gutachten liegt den Fraktionsvorsitzenden vor.

 

Im Gutachten sollten die Erfolgsaussichten einer Klage der Stadt Waren (Müritz) gegen das (Kreisstrukturgesetz), soweit darin der Stadt der Kreissitz entzogen wird, die entstehenden Kosten für den Fall einer Klage der Stadt Waren gegen das vorgenannte Gesetz  und die Umsetzung und der Verfahrensablauf einer solchen Klage aufgezeigt werden.

 

Der Auftrag entspricht somit analog dem von der Stadtvertretung der Hansestadt Anklam in der DS BM/218/2010 dem Bürgermeister erteilten Auftrag.

 

Die wesentlichen Aussagen des Gutachtens sind in der Anlage zusammengefasst. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass die für die Stadt Waren (Müritz) im Gutachten  getroffenen Aussagen nicht auch für die Hansestadt Anklam zutreffen sollten.

 

Prof. Ewer kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss,

 

„dass das Kreisstrukturgesetz mit der darin enthaltenen Bestimmung der Stadt Neubrandenburg als (vorläufigem) Sitz des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte

► in dieser Hinsicht formell verfassungsgemäß und

► auch materiell verfassungsgemäß ist

und

► dass darüber hinaus eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Stadt Waren (Müritz) beschränkt auf die Bestimmung der Stadt Neubrandenburg als Kreissitz des neuen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits unzulässig wäre.

Die Bestimmung einer Kreisstadt durch den Gesetzgeber erweist sich damit im Ergebnis als verfassungsrechtlich kaum überprüfbar.

 

Die Verwaltung empfiehlt der Stadtvertretung  auf eine diesbezügliche Klage zu verzichten.

 

Anlagen:

Anlagen:

 

Zusammenstellung wesentlicher Aussagen des Gutachtens von Prof. Ewer

 

Art. 1 § 2 Abs. 1 S. 3 des Gesetzes bestimmt, dass die Kreistage der neuen Landkreise mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder spätestens in ihrer zweiten Sitzung abweichend von der gesetzlichen Bestimmung des Kreissitzes einen zum Kreisgebiet gehörenden bisherigen Kreissitz oder eine zum Kreisgebiet gehörende bisher kreisfreie Stadt als Sitz des Landkreises festlegen können. Anstatt den Sitz des Landkreises selbst zu ändern, kann der Kreistag mit der Mehrheit seiner Mitglieder spätestens in seiner zweiten Sitzung beschließen, einen Bürgerentscheid innerhalb des Landkreises über den Kreissitz durchzuführen. Dabei gibt der Kreistag selbst vor, welche Vorschläge zum Sitz zur Abstimmung gestellt werden. Der gesetzlich bestimmte Kreissitz ist als Vorschlag aufzunehmen. Für den Bürgerentscheid gelten eine einfache Mehrheit und ein Quorum von mindestens 25% der Stimmberechtigten. Kommt der Bürgerentscheid zu keinem Ergebnis, muss wiederum der Kreistag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder entscheiden. Kommt in keinem der Fälle eine hinreichende Mehrheit zustande, bleibt es beim gesetzlich festgelegten Sitz des Landkreises.

 

I. Zur rechtlichen Bindung bei der Bestimmung einer Kreisstadt

 

Die Bestimmung eines (neuen) Kreissitzes im Rahmen einer Kreisgebietsreform ist keine rechtlich ungebundene Organisationsentscheidung, sondern unterliegt rechtlichen Vorgaben und ist grundsätzlich einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich.

 

 

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Bestimmung einer Kreisstadt

 

  1. Zuständigkeit

Die vorläufige Bestimmung von Kreissitzen im Kreisstrukturgesetz ist  kompetenzgemäß zustande kommen.

 

2. Verfahren

 

a)      Tatsachenermittlung

Insgesamt fand  eine ausreichende Tatsachenermittlung durch den Gesetzgeber statt. Insofern ist das Kreisstrukturgesetz bislang verfahrensgemäß zustande kommen.

 

b) Anhörung

Letztlich erscheint ein Anhörungsfehler ausgeschlossen.

 

3. Zwischenergebnis

Das Kreisstrukturgesetz wurde mit einer vorläufigen Kreissitzbestimmung zugunsten von Neubrandenburg für den zukünftigen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hinsichtlich der besonderen Anforderungen an Kreissitzbestimmungen formell rechtmäßig und verfassungsgemäß beschlossen.

 

 

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Bestimmung einer Kreisstadt

 

  1. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen

 

a) Entschließung zur Kreissitzbestimmung

Angesichts der Tatsache, dass die Stadt Waren (Müritz) jedenfalls gegen die Kreisstrukturreform als solche keine mit besonderer Erfolgsaussicht versehenen Rechtsbehelfe wird einlegen können, muss daher für die hiesige Betrachtung von einem Gemeinwohlerfordernis für eine Kreissitzbestimmung durch den Gesetzgeber ausgegangen werden.

 

b) Kriterien zur Auswahl

Fraglich ist, ob neben dem Gemeinwohlerfordernis als Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Kreissitz bestimmt wird, weitere verfassungsrechtliche Voraussetzungen bestehen, die die Entscheidung mitbestimmen, welcher Stadt der Kreissitz übertragen wird.

Der Gedanke, dass eine Kreisstadt von den Bürgern des gesamten Kreises zum Zwecke bürgerschaftlicher Partizipation gut erreichbar sein muss, ist ein nur schwer quantifizierbares Kriterium, das dennoch eine Daseinsberechtigung hat. Zwar erscheint es ausgeschlossen, eine bestimmte Entfernung zwischen der Kreisstadt und dem am weitesten entfernten noch zum Kreis gehörenden Gebiet abstrakt anzugeben, ab der eine bürgerschaftlich demokratische Mitwirkung nicht mehr möglich ist, im Einzelfall kann jedoch eine solche Bestimmung getroffen werden, dass ab der konkreten Entfernung einer potenziellen Kreisstadt ein individuelles Gebiet des zu bildenden Kreises zu weit entfernt ist, um den Einwohnern dieses Gebiet eine Mitwirkung im Kreis zu ermöglichen.

 

Das Kriterium der Entfernung der Kreisstadt von den äußeren Rändern des Landkreises berührt die sog. Überschaubarkeit des Landkreises. Dazu für das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern im Urteil vom 26.07.2007 – LVerfG 9/06 u.a. –, UA S. 54, aus:

„Überschaubarkeit bedeutet, dass Kreistagsmitglieder sich auch über die Verhältnisse in entfernteren Bereichen des jeweiligen Kreises zumutbar eigene Kenntnis verschaffen können. Denn viele Entscheidungen, die im Kreistag getroffen und in seinen Ausschüssen vorbereitet werden, sind durch Raumbezug gekennzeichnet. Der Kreistag hat z.B. darüber zu befinden, wo er eine Straße ausbauen, wo er eine Schule errichten lässt, wo er Jugendhilfe fördert, welches Museum er einrichtet oder weiter betreibt. Die Wahrnehmung der Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion für die Gemeinden erfordert ebenfalls Kenntnisse über die örtlichen Verhältnisse.“

Daraus wird aber deutlich, dass sich die zur Aufrechterhaltung der bürgerschaftlich-demokratischen Mitwirkung geforderte Überschaubarkeit auf die Gesamtausdehnung eines Landkreises beziehen muss, unabhängig davon, an welcher Stelle sich im Landkreis der Kreissitz befindet. Wenn ein potenzieller Kreissitz von einzelnen Gemeinden des Landkreises im Hinblick auf die Möglichkeiten bürgerschaftlicher Partizipation zu weit entfernt wäre, wäre damit nicht erst die Kreissitzbestimmung verfassungswidrig, sondern schon der als vorgelagerter Schritt vorzunehmende Gebietszuschnitt des Landkreises an sich stellte sich als zu groß und nach den Kriterien des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern als verfassungswidrig dar.

Letztlich überwiegt daher die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Dieser muss bei der Auswahl und der Bestimmung des Kreissitzes dem Gemeinwohl dadurch gerecht werden, dass er auf zweckrational begründete Gemeinwohlkriterien zurückgreift,

 

2. Rechtsfolge: Gesetzgeberisches Ermessen

 

a) Prüfungsmaßstab

Grundsätzlich ist dem Gesetzgeber zur Auswahl eines Kreissitzes unter mehreren in Fragen kommenden Städten und früheren Kreisstädten ein weites Gestaltungsermessen eingeräumt, das von den Verfassungsgerichten – im hier zu begutachtenden Fall vom Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – nur eingeschränkt überprüft wird. Zum genauen Prüfungsmaßstab und zur Begründung für diesen nur eingeschränkten Prüfungsmaßstab führt der Bayerische Verfassungsgerichtshof aus, dass „bei Organisationsakten im Rahmen der kommunalen Neugliederung der Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Insbesondere für die Bestimmung des Sitzes kommunaler Körperschaften oder Behörden ergibt sich das daraus, dass sie als Folge allgemeiner Neugliederungsmaßnahmen verschiedene und in ihrer Rangfolge abgestufte Zwecke erstrebt und auf vielen tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen beruht, die der Normgeber selbst vollziehen muss. Es muss dessen politischer Entscheidung überlassen bleiben, die verschiedenen Belange und Interessen zu bewerten, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls unter mehreren sich anbietenden Lösungsmöglichkeiten sich für eine zu entscheiden. Wegen dieser besonderen Natur solcher Organisationsakte kann es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs sein, sie daraufhin zu prüfen, ob sie die bestmögliche oder zweckmäßigste Lösung dar-stellen. Der Verfassungsgerichtshof hat nur zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung die durch Normen der Verfassung gezogenen Schranken einhält. Das im Gleichheitssatz verbürgte Willkürverbot gewährleistet auch bei legislativen Organisationsakten, dass der Gesetzgeber wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt. Solche Akte stehen ferner unter dem Vorbehalt des Gemeinwohls und haben den Rechtsstaatsgrundsatz, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten.“

Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab entspricht demjenigen, den die Verfassungsgerichte anderer Länder an entsprechende Prüfungen anlegen. Es steht daher zu erwarten, dass auch das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern – sofern es eine kommunale Verfassungsbeschwerde gegen eine Kreissitzbestimmung überhaupt für zulässig halten sollte – diesen Prüfungsmaßstab anwenden wird.

 

b) Tatsachenermittlung

Im Ergebnis stellt sich die Tatsachenermittlung durch den Innenausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, der auch auf Vorarbeiten der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zurückgreift, als fehlerfrei dar.

 

c) Abwägung

Insgesamt ist nicht erkennbar, dass die vom Innenausschuss des Landtags vorgenommene Abwägung, auf die der gesamte Landtag seinen Gesetzesbeschluss stützte, fehlerhaft gewesen wäre.

 

d) Systemgerechtigkeit

Im Ergebnis stellt sich die Entscheidung für die Stadt Neubrandenburg als Sitz des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte als leitbild- und systemgerecht dar.

 

e) Kriterien für eine Bestimmung des Kreissitzes durch den Landkreis

Im Rahmen einer Entscheidung des Kreistags oder durch einen Bürgerentscheid darf gemäß Art. 1 § 2 Abs. 1 S. 3 des Kreisstrukturgesetzes nur ein zum Kreisgebiet gehörender bisheriger Kreissitz oder eine zum Kreisgebiet gehörende bisher kreisfreie Stadt zum Kreissitz bestimmt werden. Da die spätere Auswahl eines vom vorläufigen abweichenden Kreissitzes im Einzelnen entweder direkt oder aufgrund einer – für den Fall einer solchen Entscheidung – gesondert zu überprüfenden Abwägung durch den Kreistag unterliegt, lässt sich derzeit nur feststellen, dass die in Art. 1 § 2 Abs. 1 S. 3 des Kreisstrukturgesetzes normierten Rahmenbedingungen für eine derartige Auswahl jedenfalls nicht fehlerhaft erscheinen.

 

3. Zwischenergebnis

 

Anhand der bisherigen Rechtsprechung lässt sich daher nicht erkennen, dass das Kreisstrukturgesetz hinsichtlich der darin enthaltenen vorläufigen Bestimmung von Kreissitzen und hinsichtlich der enthaltenen Kriterien für eine spätere Bestimmung durch den neuen Landkreis materiell verfassungswidrig wäre.

Denkbar, aber nicht sicher wäre nur, dass das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eine umfassendere Prüfung der Abwägung und der Systemgerechtigkeit vornimmt, als dies die bisherige Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte erwarten lässt. Insofern kann nicht endgültig und abschließend ausgeschlossen werden, dass dann das Landesverfassungsgericht einen Abwägungsfehler an-nimmt, der nach dem hier zugrunde gelegten Prüfungsmaßstab noch nicht erkennbar ist. Als wahrscheinlich ist dies jedoch nicht anzusehen, insbesondere nachdem die in jüngster Zeit zur Frage der Kreissitzbestimmung ergangenen Judikate anderer Länder dem Gesetzgeber einen eher großen Spielraum einräumen und Auswirkungen auf frühere Kreissitze im Wesentlichen als rechtlich unbeachtliche Reflexe betrachten.

 

Nach alledem erweist sich damit das Kreisstrukturgesetz hinsichtlich der Kreissitzbestimmungen auch als materiell rechtmäßig.

 

 

IV. Rechtsschutzmöglichkeiten

 

Zwar ist das Kreisstrukturgesetz hinsichtlich der Kreissitzbestimmungen formell und mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch materiell verfassungsgemäß, aber eine jedenfalls geringe Restwahrscheinlichkeit, dass das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern das Kreisstrukturgesetz insoweit als verfassungswidrig an-sähe, kann nicht ausgeschlossen werden. Daher ist abschließend zu prüfen, ob eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Stadt Waren (Müritz) gegen die Kreissitzbestimmung zumindest zulässig wäre.

 

1. Rechtsweg

Der Rechtsweg wäre gemäß Art. 53 Nr. 8 LVerf sowie § 11 Abs. 1 Nr. 10 LVerfGG M-V im Wege der kommunalen Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern eröffnet.

Wegen des in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG statuierten Vorrangs der Landesverfassungsbeschwerde wäre die kommunale Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht eröffnet.

 

2. Klagebefugnis

Fraglich ist allerdings, ob die Stadt Waren (Müritz) für eine kommunale Verfassungsbeschwerde gemäß § 52 Abs. 2 LVerfGG M-V beschwerdebefugt wäre, die sich ausschließlich gegen die Bestimmung des Kreissitzes des zukünftigen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte richtete. Dazu müsste die Stadt Waren (Müritz) geltend machen können, dass eine Bestimmung der Stadt Neubrandenburg zum Kreissitz im neu zu bildenden Landkreis Mecklenburgische Seenplatte ihre Rechte aus Art. 72 Abs. 1 S. 2, 73-75 LVerf M-V verletzt, und eine solche Verletzung müsste objektiv möglich erscheinen.

Nach der weit überwiegenden Rechtsprechung der Verfassungsgerichte der Länder berührt aber die Bestimmung eines Kreissitzes für einen im Rahmen eine Kreisgebietsreform neu zu bildenden Landkreis wenn überhaupt nur das Selbstverwaltungsrecht des neu zu bildenden Landkreises, jedenfalls aber nicht das der aufzulösenden Landkreise.

Nach einer noch strengeren Ansicht wird nicht einmal das Selbstverwaltungsrecht des neuen Landkreises berührt, weil die Kreissitzbestimmung mit der Gründung des neuen Landkreises sachlich so eng zusammenhänge, dass die Gründung des Landkreises und die Kreissitzbestimmung als einheitlicher Organisationsakt noch vor der Aufnahme der Selbstverwaltung durch den Landkreis zu sehen seien.

 

Da nicht erkennbar ist, dass sich die Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in dieser Hinsicht maßgeblich von der Rechtssprechung der anderen Landesverfassungsgerichte, insbesondere derjenigen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, absetzen wird, dürfte daher eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Stadt Waren (Müritz) mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig sein.

 

C. Zusammenfassung und Ergebnis

 

Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass das Kreisstrukturgesetz mit der darin enthaltenen Bestimmung der Stadt Neubrandenburg als (vorläufigem) Sitz des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte

► in dieser Hinsicht formell verfassungsgemäß und

► auch materiell verfassungsgemäß ist

und

► dass darüber hinaus eine kommunale Verfassungsbeschwerde der Stadt Waren (Müritz) beschränkt auf die Bestimmung der Stadt Neubrandenburg als Kreissitz des neuen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits unzulässig wäre.

Die Bestimmung einer Kreisstadt durch den Gesetzgeber erweist sich damit im Ergebnis als verfassungsrechtlich kaum überprüfbar.